Reise mit der "Norrland"
vom 7.11.2006 bis 14.11.2006

Hier erscheint die elektronische Version eines Reisetagebuchs. Ich war eine Woche lang mit einem Frachtschiff auf der Nordsee unterwegs.

Die Fotos finden Sie hier. Und wenn Sie sich über eine nicht-Deutsche Textpassage wundern, halten Sie mal kurz die Maus darüber; die Chancen stehen nicht schlecht, dass dann eine Deutsche Übersetzung erscheint.

7.11.2006 18:15

Ich weiß nicht ob es was wird, aber ich fange mal mit einer Art Tagebuch an. So'ne Schiffsreise ist ja für unsereins nichts Alltägliches.
Die Zugfahrt nach Amsterdam verlief planmäßig: Alle Züge waren 5 Minuten zu spät, also macht nichts. Ich hatte gestern ja von Zylmann erfahren, dass die "Norrland" bis etwa 18:00 in Amsterdam liegen sollte, und ich war schon kurz nach eins dort. Die Eingebung, nach Amsterdam-Sloterdijk zu fahren, war nicht verkehrt, das Gelände ist nur etwa einen Kilometer vom Bahnhof weg: Aus dem Haupteingang heraus, nach rechts, über eine große Straße hinweg, und etwa 400m links ist schon der Hafen. Beim Büro schickten die mich dann zurück zur Koninklijke Maréchaussée, eine Art (Militär-) Polizei, unter Anderem zuständig für Immigration. Ist also für Niederländer (und Belgier und Luxemburger) nicht notwendig. Ich also wieder zurück, am Büro vorbei zum Schlagbaum. "Ja, kein Problem. Gehen Sie einfach hin. Aber verwenden Sie bitte den Fussweg." Also, wie gesagt, kein Problem. Der Fussweg ist mit gelben Strichen abgegrenzt und mit ebenfalls gelben Fussspuren gekennzeichnet. Er wird ausschließlich dazu verwendet, Touristen und Profis auseinander zu halten. Oder anders gesagt: Wenn man den Weg ernst nimmt und folgt, fällt man auf wie eine Nonne bei einer IG Metall Kundgebung.
Stehe ich vor dem Schiff und rufe den Kapitän nochmal an. Kommt auf einmal Nebel auf, aber zu schnell für Nebel. Also, kein Nebel, eher Rauch. Bald sehe ich das ganze Schiff, etwa 40m voraus, nicht mehr. Aber der 'first mate' "komme herunter um mich zu holen". Gehe ich also auf das Schiff zu, Richtung Achtern, kommt die (ganze, erfahre ich später) Besatzung heraus. Und dann sehe ich auch wo der Rauch herkommt: Auf der anderen Seite des Hafenbeckens brennt wohl eine Lagerhalle oder ein Silo; ich sehe kein Feuer aber eine Menge Rauch entweichen, und gleichzeitig fängt eine Sirene zu Jaulen an. Dann kommt der Kapitän und scheucht alle in Richtung Ausgang, aus dem Rauch hinaus. "Kein Mensch weiß, was das ist, es kann ja giftig sein!" Hat er ja Recht, also Laufschritt zurück. Langsam wird aber die große Tasche, trotz Rollen, recht schwer. Kurz vor 14:00 fing das Theater an; dann standen wir zusammen am Ausgang des Geländes, etwa 20 Minuten. Als der Rauch verschwand sind wir zurück zum Schiff, aber der Sicherheitsdienst hat uns dann gebeten vorerst im Büro zu warten. Dort habe ich mich dann etwas mit dem Deutschen Kapitän unterhalten, und sonst gewartet. Etwa 15:30 hat dann der Laden aufgemacht und Wasser und später auch einen Kaffee verkauft, und um 16:00 durften wir endlich zurück. Die Feuerwehr hatte alles wieder freigegeben. Was es nun war weiß anscheinend noch niemand...
"Second Mate" (2. Offizier) hat mir dann mein Zimmer gezeigt, und wollte dann mit mir zum Immigrationsbüro. Da wusste ich noch nicht, dass er damit wieder die Koninklijke Maréchaussée meinte, und deshalb wir wieder los, zurück. Zum Glück ohne schwere Tasche. Wir plauderten etwas, und als sich dabei herausstellte, wo er hin wollte, habe ich schnell erklärt, dass ich schon dort war und nicht hin brauche. Bei Rückkehr erfuhr ich die Essenszeiten: 8, 12, und 17 Uhr, und habe dann erstmal ausgepackt.
Also: Alles ist hier befestigt. Das Bett hat einen aufstehenden Rand von etwa 10 cm, die Vorhänge sind oben und unten geschient, die meisten Türen sind entweder extrem schwergängig (außen), oder mit einer Klemmbefestigung auch im offenen Zustand arretierbar, die Schubläden haben einen extra Schutz, so, dass man sie hochheben muss bevor sie aufgehen können, usw. Das Fenster ist nicht nur sehr schwergängig, mit einem schwergängigen Haken, auch die Verschlüsse sind mehr als robust. Ich nehme an, dass die Fenster auch wasserdicht sind, wenn richtig zu: Zwei große Flügelmutter werden hinter zwei metallenen Gabeln gehakt und dann zugeschraubt, damit ziehen sie das Fenster immer fester in seiner Gummidichtung.
[Das soll doch wohl nicht wahr sein; jetzt ist mein Kuli alle und wenn ich alles dabei habe, aber keine Ersatzmine und keinen zweiten Kuli. Naja, mal sehen wie lange der Bleistift hält, sonst muss ich den Kapitän fragen, vielleicht leiht er mir einen bis Stavanger.]
Im Inneren des Schiffs bin ich mal umhergewandert, zumindest die Decks mit den Kabinen, jetzt lese ich was bis zur Abfahrt, und dann geht's wohl ins Bett. Spannend ist es schon!

8.11.2006 07:15

Gestern Abend war echt mal interessant. Ich habe noch was gelesen, und bin regelmäßig mal kurz rausgegangen zum Schauen ob wir noch nicht loslegen. Vor allem als die Motoren schon angelassen waren, konnte ich mich auf mein Buch nicht mehr konzentrieren. Als ich dann im Vorbeigehen den Kapitän fragte, hat der etwas gelangweilt gesagt: "Ach, das dauert noch mindestens eine halbe Stunde." Als ich dann aber den Lotsen habe ankommen sehen, bin ich auf die Brücke, und direkt hinter dem Kapitän der Zweite. Naja, mehr als drei Leute, mich eingerechnet, gab es selten auf der Brücke, bis der erste Offizier zwei Stunden später noch Emails verschicken musste. Das Ablegen ging dann sehr schnell, ein Wenig Klönschnack mit dem Lotsen, ein junger Kerl, und schon war das Heck geschlossen und die Leinen los. Der Kapitän steuerte zunächst von einem Pult draußen, erst als der Anlegeplatz hinter uns lag und alle Bojen umschifft waren, hat der Lotse das Radar auf der Brücke angestellt und von dort übernommen. Das sah dann recht einfach aus... Einbiegen in den Noordzeekanaal war noch kurz spannend, weil der Lotse zwar versuchte mit den Motoren mitzulenken aber dabei einen Knopf vergessen hatte. Bisher hatte ihm das Ruder genügt, da der Kapitän das Schiff ja von der Anlegestelle weg manövriert hatte. Unterwegs haben wir uns zu dritt dann nochmal über den Brand unterhalten. Der Kapitän hat inoffiziell erfahren, dass dort wohl SO3, Schwefeltrioxid, im Rauch drinnen war, und sich beschwert, dass er noch immer nichts Offizielles gehört hatte. Es war ja mittlerweile fast 23:00. Daraufhin hat der Lotse mit dem Hafendienst gesprochen, und schließlich der Kapitän mit einem Gefahrgutexperte. Der hat bestätigt: Schwefeltrioxid, stabilisiert UN 1829, wenn ich mich richtig erinnere. Atemwegsprobleme sind möglich, aber sind nach ca. 5 Stunden ausgebildet. Dann hat der Kapitän eine Runde gemacht und alle gefragt: Keiner hatte Beschwerden gehabt, also Gefahr gebannt. Aber dass die Besatzung von der Feuerwehr nicht mal benachrichtigt oder gar evakuiert wurde, ist nicht in Ordnung. Danach kam noch die Schleuse, Mittelschleuse steuerbord, also wieder draußen gesteuert und wieder der Kapitän. Ich vermute, wenn es dann um die Dynamik eines solchen Schiffes geht, und um Zentimetern, ist der Kapitän immer noch der Beste. Auf offenem Meer ist dann der Lotse von Bord gegangen. Nachdem er sich verabschiedet hatte, hat er so eine Art Geschirr über seine Jacke gezogen und sich dann an einer Leiter am Rumpf hinunter bewegt. Dann kam das Lotsentaxi auf weniger als einen Meter heran und der Lotse wurde von zwei angeleinte Helfern selbst mit seinem Geschirr angehakt und herüber gezogen. Kurz gewunken und das war's. Mittlerweile war es fast ein Uhr, da bin ich dann ins Bett.

Als wir gestern Abend vom Nordseekanal in die Nordsee gefahren sind, habe ich etwas von dem Wellengang gespürt. Der Kapitän nannte mich mutig, dass ich ohne Vorerfahrung zu dieser Jahreszeit mit einem kleinen Schiff mitfahren möchte. Klein ist also relativ. Heute Morgen ist der Wellengang sehr deutlich spürbar, aber ich habe gut geschlafen und es scheint mir nichts auszumachen. Duschen ist etwas schwieriger als zu Hause, aber es geht. Das Wasser ist warm, und wenn man sich ab und zu mal abstützen muss, geht es halt etwas langsamer. Das Badezimmer ist einfach, komplett und zu klein; nein, nicht von der Größe her, sondern vom Stauraum. Wegen der Schiffsbewegungen muss alles gesichert verstaut werden, und wenn man auf dem Waschtisch nichts hinstellen kann, wird jeder Badezimmerschrank schnell zu klein. Bin ich wohl doch etwas eitel... Angezogen, Bett gemacht - muss man hier ja selber machen, die Mannschaft hat wahrlich Anderes zu tun. Beim Frühstück habe ich dann gemerkt, dass es mir wirklich gut geht: Einen gesunden Appetit, Käse, Wurst und sogar ein warmes Würstchen mit Senf verschwinden problemlos. Der Kaffee ist nicht wie zu Hause, aber sehr gut. Und sogar die Sonne kommt heraus, herrlich! Nach dem Frühstück verirre ich mich in die Speisekammer, und der Koch zeigt mir den dann offiziell, sehr freundlich, und man kann dort auch hinaus. Poop-deck, dort wo die Container stehen können. Zur Zeit steht dort nur einer, der Rest der Ladung ist unter Deck. Mal sehen was ich an Foto's schießen kann.

Ich war gerade noch mal unten einen Kaffee trinken, und habe den Kapitän getroffen. 'ne Runde gequatscht über Börse udn Audioanlagen, Greta Garbo und Abba, Gott und die Welt. Also, heute Abend soll es Windstärke 8 aus dem Nordwesten geben, also nicht mehr so ruhig wie jetzt. Abwarten, aber bislang geht es mir prima. Morgenfrüh sollen wir dann in Stavanger ankommen.

8.11.2006 19:15

Wenn das hier so weiter geht, nehme ich in einer Woche 5 kg zu. Das Essen ist sehr gut. Heute Mittag (12:00) gab es Grünkohl mit Pinkel, extra von dem Kapitän aus Deutschland mitgebracht, und heute Abend (17:00) so 'ne Art kalte Palatschinken mit Brombeermarmelade (oder so), garniert mit Ananas, Kiwi, Erdbeere und Schlagsahne. Nur beim Dill könnte er etwas sparsamer sein. Ich habe noch recht wenig Foto's gemacht, aber es ist nicht lange hell, der Himmel war grau, und bei den Vibrationen im Schiff ist auch ein Stativ keine große Hilfe. Morgenfrüh beim Einlaufen in Stavanger (etwa 07:30) werde ich mal meine Kamera mit auf die Brücke nehmen. Beim Essen wieder mit dem Kapitän geschwätzt. Über Audioanlagen werden wir nie fertigreden können. Danach fragte ich, ob ich wieder mit hoch kommen durfte; klar, kein Problem. Es war ja schon dunkel, 17:45. Erste Wolkenlücken, einige Sternen. Und dann fing der Mond am Horizont an, Wolken anzumalen, enorm! Dann wurde es ein Katz-und-Maus zwischen ¾ Mond und Wolken, bis um etwa 19:00 der ganze Himmel fast wolkenfrei war. Und trotz Schiffsbeleuchtung ung Mond waren die Sterne überwältigend. Der Wetterbericht auf BBC sagte Windstärke 8-9 voraus für heute Nacht, aber mir geht es gut. Wecker um 06:00, jetzt noch ein Bißchen lesen, da meine Mittagsruhe sonst schlaflose Nächte bedeutet ;-)

9.11.2006 11:15

Eine prima Nacht! Es hat zwar enorm gewackelt, aber mir ging es gut. Von 10 bis 5 gut geschlafen und so um 6 aufgestanden. Nur: Duschen bei Windstärke 8 ist ein Abenteuer, und dauert noch etwas länger. Um kurz nach 7 bin ich runter. Frühstück war schon vorbereitet, aber ich habe mich auf Kaffee beschränkt, weil es ja um 12 schon wieder Mittag gibt. Dann bin ich planmäßig um 07:30 auf die Brücke, aber da ist noch alles ruhig. der 1. Offizier hat Wache, und schätzt noch ca. 2½ Stunden, so um 10. Ich soll mich auf dem 2. Platz setzen wenn ich will. Somit beobachte ich das Radar, und schaue raus. Zum Fotografieren ist es noch viel zu dunkel, und Blitzlicht auf einer abgedunkelte Brücke ist auch nicht doll. Aber herrlich war's: Eine Stunde sitzen ohne zu quatschen, schaukeln und rausgucken. Super! So um 09:00 hat der Kapitän seinen Offizier abgelöst, und langsam wurde es auch heller. Da habe ich meine Kamera geholt, aber so gut war das Wetter leider nicht. Es gab sogar kurz Hagel. Da habe ich meine Kamera schon fast wieder weggepackt, aber das Wetter bot noch ein Paar Momente. Dann wollte der Kapitän "kurz nach unten. Ist ja alles frei davorne; ich lass' ja die Tür auf." Naja, habe ich doch noch die Brücke mit Blitz fotogrfieren können. Außerdem habe ich aufgepasst, dass nichts passiert ;-) Als ich dann vorsichtshalber nochmal nachgefragt habe wegen der Aufenthaltsdauer, war der Kapitän noch nicht sicher, es könnte auch schneller gehen. Und da es inzwischen nur noch geregnet hat, bin ich also in der Nähe vom Schiff geblieben, aber ein Wenig die Beine gestreckt habe ich dann doch noch.

9.11.2006 18:00

Das ging schnell: In 2 Stunden waren wir wieder unterwegs, 10:00 angekommen, 12:00 wieder weg. Gut, dass ich in der Nähe geblieben war. Dann etwa 2½ Stunden bis nach Haugesund (frag' mich nicht, wo das ist; die Karten an Bord sind so detailliert, dass man zwar haargenau sehen kann wo man ist, aber nicht wo das denn sein soll als U begrijpt wat ik bedoel. Alles Papier und nix mit herauszoomen oder so). In der Zeit habe ich dann was gegessen (Champignon-Steak, vorweg eine Art Fischsuppe) und mich danach nochmal ruhig hingelegt. Zur Fahrt durch die Fjorde war ich dann aber wieder auf der Brücke, ein Paar Foto's gab's auch noch weil die Sonne etwas rauskam. Und dann ein 50-Jahre altes Schiff, mit Tele für den Kapitän fotografiert. Der war hin und weg! Beim Anlegen in Haugesund gab's dann Theater weil das Hafenpersonal und die Crew nicht so wollten wie Kapitän und Sicherheitsvorschriften. Hat bestimmt 'ne halbe Stunde gekostet die Leinen vom Vorderschiff vernünftig zu befestigen. Naja, in Stavanger hat sich der 1. Offizier gesundheitlich untersuchen lassen, jetzt dürfen Kapitän und 2. Offizier sich die Schichten teilen, da der ruhiger treten muss bis er in Amsterdam abgelöst wird. Aber mit der Gesundheit sollte man nicht spaßen! Jetzt sind wir wohl direkt nach Bergen unterwegs. Dort sollen wir dann "einen ganzen Tag" liegen. Ob das nun 6 Stunden oder 24 Stunden sind, keine Ahnung. Nachdem der Sturm nach Haugesund weg war (wir sind in ein Fjordensystem eingefahren) bin ich nach unten zum Essen. Halbes Brathähnchen mit Brötchen, gutes Essen für so ein Männerhaushalt. Und dann werde ich gleich mal gucken und fragen gehen, was als nächstes ansteht. Also, zum Lesen komm' ich hier kaum, wat ein Stress! ;-)

9.11.2006 20:15

Kapitän hatte gerade ein privates Gespräch. Ich habe nichts gehört, aber er war aufgeregt. Danach haben wir einfach etwa eine ¾ Stunde schweigend hinausgeschaut. Erinnerte mich an die Ostfrriezenwitze, von wegen zwei Auto's heißt Stau, und so. Als ich ihm dann ein Tee brachte, hat er dann doch noch was erzählt. Also, heute Abend ca. 22:00 in Bergen, kurz, danach durch nach Knarrvik, "die Fabrik" mit eigener Anlegestelle. Dort dann bis ca. 18:00 löschen und laden. Das ist ca. 6 km von Bergen, also kann ich in die Stadt. Er hat mir sogar Kronen gegeben, 965 Kr, ca. € 250,--, abrechnen hinterher. Musterbrief habe ich auch schon, also morgen geht's los. Danach dann noch zweimal andere Anlegestellen in Bergen, und dann wohl wieder zurück nach Stavanger (Tananger heißt dort der Hafen), weiter muss ich noch sehen. Unter Vorbehalt stand Amsterdam für Sonntagabend 23:00 auf der Liste, gleichzeitig wurde aber heute morgen (auf Norwegisch) von Aberdeen gesprochen. Mal sehen.

10.11.2006 18:30

So, das war ein Tag. Beim Aufstehen hat kaum etwas gewackelt, weil wir am Kai in Knarrevik lagen, direkt am Betriebsgelände einer Talk-Fabrik. Duschen war kein Problem, und sogar Rasieren funktionierte ohne Schnittwunden. Rührei mit Speck zum Frühstück, und dann langsam los. Erstmal vom Gelände runter, und dann nach Gefühl nach oben. Die Bushaltestelle war einfach zu finden, der Bus ging jede halbe Stunde und mit 38 Kr war ich in Bergen. (Linie 468) Ein schöner Teich mit Park, eine Möwe auf einer Skulptur, dann ein Stück Innenstadt, bis ich durch ein Fenster ein Café entdeckte. Naja, Kaffee hatte man auch, aber alle Gäste hatten dort ein halbes Bier vor sich. Also genau meine Wellenlänge: Kaffee runter, Toilette und nix wie weg. In der Innenstadt hatte ich mir zwar zwei Postkarten und Briefmarken gekauft, aber ein Kuli vergessen. Also weiter. Dann sah ich den Fischmarkt (enttäuschend im Herbst, klein und unter Plastik) und dann die berühmte Häuserreihe. Die davor werden gerade renoviert, also Foto's! Die Häuserfront ist eine Front für etwa 30m Tiefe, wo es dann auch noch Lädchen gibt. Und außerdem sieht es zwar vorne schön aus, aber an der Seite muss schon alles gestützt werden. Ein ganz-jahres Weihnachtsshop gibt es auch (God Jule!), und vieles Touristisches. Geschenke, aber kein Kuli. Also, gefragt. Auf der Ecke bei den Ampeln gibt's ein Buchladen, der verkäuft auch Kulis. Gesagt, getan. Unterwegs noch ein Schild gesehen 'Rentier-Steak', also danach vor dem Essen dort die Karten geschrieben und be-briefmarkt. Das Essen war gut aber geschmacklich nicht außergewöhnlich und schweine-teuer. Naja, wenn 0,15ℓ Weißwein schon €10,-- kostet, muss man sich nicht wundern. Aber egal wo, ein Hauptgericht unter €20,-- ward nicht gesichtet. OK, es gab McDonalds und Burger King, also ging es auch billiger, und auf dem Schiff wäre die Mahlzeit inklusive gewesen, wenn auch kein Rentier. Draußen wurde es gerade Nass und ungemütlich, also langsam den Rückweg angetreten. Mütze gekauft, Wahrzeichen fotografiert und dann gemütlich zum Busbahnhof geschlendert. Auf dem Bus stand 'Knarvik', deshalb besser gefragt, kann ja eine Abkürzung sein. "Fahren Sie auch nach Knarrevik?" "Ja, steigen Sie ein!" Enfin, alle Schilder sagten ebenfalls 'Knarvik', also nochmal gefragt, ob das denn dasselbe sei. "Nein...".
Jawohl, 40 Minuten falscher Bus in der entgegengesetzte Richtung. Also, Kollege angerufen, 40 Minuten zurück, dann der richtige Bus (Bahnsteig 11 oder 12, Linie 444), nochmal extra gefragt. Und dann hat es sogar geklappt mit dem Bus. Alles im Regen, also nichts Schlimmes, im Bus sitzen zu müssen. Nach dem Aussteigen kontrolliere ich kurz mein Telefon, hat die Brücke gerade versucht, mich anzurufen. Die Voicemail sagt dann (Kapitän), dass das Schiff schon um 16:00 ablegen muss, ich aber heute Abend in Bergen wieder einsteigen kann. Naja, ich war nur 5 Minuten weit weg, keiner hat mich aufgehalten, und da war ich auch schon an Bord, auch wenn die 'Treppe' einen Meter über den Boden hing. Leinen los, ab nach Rolls-Royce, 4 Schiffsmotoren laden, 60 Tonnen jeder. Schon interessant zu sehen. Aber an Land gehen konnte ich nicht, es wurde schon Düster, und das Schiff bewegt sich immer, also leider wieder keine Foto's. Jetzt geht's von Hurdvik (Rolls-Royce Hafen) wieder nach Bergen Stadt, Ankunft 20:30, bis Mitternacht, und dann Richtung Tananger (Stavanger). Bis morgen also!

11.11.2006 12:15

Beim Aufstehen schwankte es wieder ordentlich. Geduscht aber nicht rasiert zum Frühstück, mit Würstchen. Dann mal oben gucken gegangen. Der Kapitän war noch immer im Dienst, von gestern etwa 15:00 Uhr an. Kurz vor Tananger brach die Sonne kurz durch, und endlich ist auch mal ein Container auf diesem Containerschiff zu sehen, von gesternabend in Bergen. Aber beim Manövrieren ist wieder Regen mit Graupel angesagt, Wind war schon immer. Den Kapitän habe ich auch mal fotografiert, "nicht ganz frisch", aber treffend trotzdem, wie ich glaube. Dann beim Container-Laden noch ein Paar Mal geknipst wenn gerade trocken war, aber das Wetter ist hier mehr als ungemütlich. Also: Wenn man die ganzen Städte wirklich sehen möchte, sollte man eine eine andere Reise machen oder etwas anders organisieren. Aber das Leben an Bord mal miterleben zu können, als Passagier ohne Aufgaben und mit dem Komfort eines Offiziers, das ist voll drin.

12.11.2006 09:00

Das war gestern noch eine Überraschung: Statt nach etwa 3-5 Stunden wieder abzulegen, dauerte es einiges länger, bis schließlich der Kapitän mich informierte, dass wir wetterbedingt am Kai übernachten werden. Für die Nacht wurden Windstärke 8-9 vorhergesagt, die Wetterlage machte es ebenfalls deutlich, und schließlich hat sich der Kapitän für die Sicherheit entschieden. Nach dem Essen haben wir nur noch den Kai gewechselt und die Nase in den Wind gelegt, und dann war ruhe. Heute morgen normal geduscht und gefrühstückt. Das Wetter hat sich scheinbar nicht wirklich gebessert, auf jeden Fall nicht für mein Leihenauge, und auf der Brücke war gerade noch gar nichts los. Habe kurz den Wetterbericht abgerufen und ausgedruckt, und soweit meine Dänischen Sprachkenntnisse reichen, spukt es auch heute noch ganz schön. Mal abwarten. Auf jeden Fall, trotzdem das Schiff abgesichert am Kai liegt, ist eine deutliche Bewegung wahrnehmbar.

13.11.2006 08:15

Jetzt ist sogar das Schreiben schwierig. Aber der Reihe nach. Bis gestern um die Mittagszeit tat sich erstmal nichts. Der Wetterbericht sagte voraus, dass der Wind im Laufe des Nachmittags abnehmen würde, und auch wohl deshalb hat der Kapitän entschieden, um 14:00 los zu fahren. Ich also rechtzeitig auf die Brücke. Dann fuhren wir zunächst unplanmäßig nach Norden von Tananger weg, da der Wellengang auf dem offenen Meer einen anderen Weg riskanter machte. Dabei ging es immer um die Ladung, das Schiff allein hätte keine Probleme. Aber auch noch geschützt hinter vorgelagerten Inseln war der Seegang schon ganz ordentlich. Die Wellen im offenen Meer waren schließlich so hoch, dass das Schiff mehr als ordentlich tanzen musste (Masthöhe hoch und runter auf 90m Entfernung). Sie kamen aus Nord-West, deshalb konnten wir zunächst nicht auf Kurs gehen, weil das parallel zu den Wellen war, und das Schiff zu sehr rollen würde. Um 17 Uhr gab's dann wie gewohnt Abendbrot, und ab 12 Meilen von der Küste schien es dann etwas ruhiger zu werden. Wir fuhren aber immer noch direkt West wegen den Wellen, aber immer schneller, von 5.5 auf 8 Knoten. Etwa um 22:00 hat der Kapitän nach mehreren Versuchen das Schiff wenden können und auf Südkurs gebracht, 180 mit Volldampf auf ca. 11 Knoten. Als sich das als halbwegs stabil erwiesen hatte, bin ich dann um 23:00 ins Bett. Trotz Schaukelei gut geschlafen, heute morgen wieder todesmutig geduscht, und jetzt muss ich mal wieder oben nachschauen. Aber: Ich habe wahrhaftig ein ganzes Buch ausgelesen, wow!

13.11.2006 22:15

Heute war nicht viel los. Nach dem Frühstück kurz hoch, die Sonne kam kurz durch, also noch ein Paar Foto's versucht. Dann hatte ich das Gefühl den 1. Offizier bei seinem Patience-Spiel auf dem Rechner zu stören, und ich bin runter auf meinem Zimmer. Mittagessen war nochmal Grünkohl mit Pinkel, allerdings mit Reis, abends gab es Würstchen mit Zwiebeln. Zwischendurch mal Kaffee oder Tee, und viel Geschaukel. Aber dafür habe ich in einem Tag mein zweites Buch ausgelesen. Ist doch auch was, oder? Der erwartete Ankunft in Amsterdam ist 15:00, mal sehen. Der Kapitän ist gar nicht glücklich mit Wetter, Wellen und Wind bei der tiefen Beladung (2600 Tonnen).

14.11.2006 21:40

Mittlerweile sitze ich im Zug. Es wackelt auch, aber anders. Viel war heute nicht mehr los, bevor dann Amsterdam in Sicht kam und der Stress zunahm. Letzte Nacht habe ich komischerweise nicht so gut geschlafen, vielleicht waren die Bewegungen anders als sonst. Aber es ging mir noch immer bestens. Nach dem Frühstück nochmal hoch, da gab's dann eine wahrhaftige Bohrinsel auf weniger als zwei Meilen. Hoffentlich sind die Foto's was geworden, wenigstens eines. Dann noch was gelesen. ETA 15:30, aber nicht im Hafen, sondern erst vor IJmuiden, dass der Lotse an Bord kommen kann. Nach dem Mittagessen (Suppe, Klöpse mit Ei, Kartoffelpüree und Salat) noch mal die Augen zu gemacht, und danach die Tasche gepackt. Mittlerweile war auch das Rollen so reduziert, dass ich mich rasieren konnte. Und plötzlich piepste das Handy! Wir sind da! Jede Menge SMS, Anrufbeantworter war noch nicht möglich. Als ich später hoch ging, war der Lotse schon da. Festes Programm: Rein, Schleuse (weitere Foto's), zum Hafen, anlegen. Eine Kleinigkeit für Koch und Mannschaft, die Foto's für den Kapitän hatte ich gestern schon auf den Schiffsrechner kopiert. Dann wollte der Kapitän noch nicht einmal was haben für das Wasser und Bier das ich konsumiert hatte; er hatte ja die Foto's bekommen! Naja, danke schön! Ob ich meinen Zug noch kriege? Der geht um 19:07 von Amsterdam Centraal. Als ich den Lotsen frage, wann wir denn anlegen werden, weil ... ruft er kurz an, und regelt eine Mitfahrgelegenheit bei den "Boller-lui". Super, danke! Also, allerseits Tschüß gesagt und runter in den Laderaum. Mit dem Auto kostet es nur 5 Minuten nach Amsterdam-Sloterdijk, und das direkt vom Schiff weg. Kurzum: Alles problemlos. Naja, jetzt in Köln haben wir 20 Minuten Verspätung, aber das ist für mich nicht so schlimm. Alles in Allem: Spannende Reise, entspannende Reise. Bei einem nächsten Mal bin ich gern wieder dabei. Herzlichen Dank an Kapitän Hans Niemeyer und seinen Offizieren, dass ich quasi freien Zugang zur Brücke hatte, und für die vielen Erklärungen. Aber vor allem für das einmalige Gefühl, einen Teil der Urkräfte zu spüren ohne ihnen ausgeliefert zu sein. Jederzeit noch einmal!

November 2006 - Johan Bezem

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